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Predigt am 3. Sonntag der Osterzeit

im Jahreskreis B

18. April 2021

Evangelium: Lk 24,35-48

„Die Schrift nicht kennen, heißt Christus nicht kennen.“

So hat es der Kirchenvater Hieronymus einmal formuliert. Er war im Jahre 347 in Dalmatien, dem heutigen Kroatien, geboren und lebte fast 40 Jahre bis zu seinem Tode im Jahre 419 in Bethlehem, wo er sich vor allem dem Studium und der Übersetzung der Heiligen Schrift widmete. Er gilt als Verfasser der „Vulgata“, der lateinischen Fassung der Bibel.

Hieronymus sagt also: „Die Schrift nicht kennen, heißt Christus nicht kennen.“ Ich denke, das ist seine persönliche Erfahrung, die er weiter gibt, mit der er wohl auch werben will, sich mit der Schrift auseinander zu setzen, um Christus kennenzulernen.

Mir ist dieses Wort des Heilgen Kirchenvaters in den Sinn gekommen, als ich das Evangelium des heutigen Sonntags gelesen habe. Darin wird berichtet, wie Jesus am Abend des Ostertages in die Mitte seiner Jünger tritt, die versammelt waren und die Erlebnisse dieses denkwürdigen Tages austauschten.

Soeben waren die beiden Jünger, denen Jesus auf dem Weg nach Emmaus begegnet war, nach Jerusalem zurück gekommen und hatten den Aposteln berichtet, „was sie unterwegs erlebt und wie sie ihn erkannt hatten, als er das Brot brach.“

Es mag jedoch verwundern, dass es den Jüngern Jesu so schwer fällt, zu glauben, dass Jesus auferstanden und wirklich unter ihnen ist. Das Evangelium erzählt, wie Jesus in rührender Weise ihnen helfen will, wie er sie ermuntert, ihn anzuschauen und anzufassen. Sie sollen glauben, dass er kein Geist ist und sollen alle Zweifel ablegen. Vor ihren Augen isst er dann einen Fisch, um ihnen zu demonstrieren, dass er lebt und dass Er selbst es ist, der hier vor ihnen steht.

Doch das alles scheint wenig zu helfen, sie können - obwohl sie sich freuen - immer noch nicht glauben. Daraufhin er erklärt ihnen die Heilige Schrift und öffnet ihnen so die Augen, dass dort über ihn geschrieben steht, dass der Menschensohn leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen wird, dass sein Name allen Völkern verkündet wird und dass die Menschen umkehren sollen, damit ihre Sünden vergeben werden.

Im Verstehen der Heiligen Schrift sollen die Jünger erkennen, was an Ostern geschehen ist. Sie sollen IHN, Jesus erkennen als den Auferstandenen, den wirklichen Sohn Gottes. Man könnte somit das Wort des Hieronymus positiv formulieren: „Die Schrift kennen, heißt Christus kennen.“

Das hat uns etwas zu sagen und wir dürfen uns schon mal fragen:

  • Wie kennen wir die Heilige Schrift?
  • Wie vertraut ist uns das Evangelium, so dass wir behaupten könnten, wir kennen IHN, Jesus Christus?

Während meiner Besuche im Tschad habe ich mit großem Interesse erlebt, wie sich dort die Menschen auf die Taufe vorbereiten. In der Diözese Pala im Süden des Tschad, in der ich einige Male zu Gast war, werden vorwiegend Erwachsene getauft. Diese durchlaufen über mehrere Jahre hinweg ein Katechumenat, eine Zeit der Vorbereitung, in der sie den Glauben kennen lernen, sich in der Gemeinschaft des Dorfes und der Pfarrei bewähren, um dann nach mehreren so genannten Etappen-Prüfungen zur Taufe zugelassen zu werden.

Während dieser Zeit der Taufvorbereitung haben die Bewerber auch die Aufgabe, große Teile des Lk-Evangeliums auswendig zu lernen. Das liegt darin begründet, dass viele Menschen Analphabeten sind, also nicht lesen oder schreiben können. Auch sie sollen den Zugang zur Heiligen Schrift finden, deshalb „memorieren“ sie das Evangelium, lernen es in großen Stücken auswendig.

Wenn dann die Firmung ansteht, kommen noch weitere Teile der Apostelgeschichte dazu, in der vom Wachsen der jungen Kirche die Rede ist.

Die Menschen kennen die Schrift, manche vielleicht viel besser als wir, die wir lesen und schreiben können, aber vielleicht viel zu selten das Evangelium zur Hand nehmen, um darin zu lesen.

Die Menschen versuchen, die Heilige Schrift und das Leben Jesu und seiner Jünger ganz konkret auf ihre Situation hin zu deuten. Das habe ich in verschiedenen Sonntagsgottesdiensten erlebt.

  • Einmal z.B. hat sich eine Frau beim Predigtgespräch total ereifert. Als wir nach dem Gottesdienst nach dem Grund gefragt haben, sagte uns P. Alois, dass sie sich aufgeregt hätte über die Männer, die den Frauen alle Arbeit allein überlassen.
  • Oder ein andermal kam die Rede auf einen Mann, der nicht mehr zum Gottesdienst kam. Es wurde berichtet, dass dieser Alkoholiker geworden ist und sich schämte zu kommen. Daraufhin wurde einer beauftragt, nach ihm zu schauen und sich um ihn zu kümmern.

So wird Kirche konkret, Nachfolge Christi nicht nur schönes Gerede, sondern in ganz klaren - wenn auch manchmal ganz kleinen - Schritten umgesetzt zu einem Handeln aus dem Evangelium.

Dabei fällt zum Beispiel immer wieder das Wort „justice et paix“, also „Gerechtigkeit und Friede“. Für die Menschen bedeutet dies ein elementare Aufgabe, sich für den Frieden und die Gerechtigkeit einzusetzen in einem Land, in dem der Krieg zur Tagesordnung gehört und in dem Gerechtigkeit ein Fremdwort ist, für die, die Waffen besitzen, ganz gleich ob es die Mächtigen sind im Staat oder einfach die Polizeichefs in den Dörfern.

Die Schrift kennen, heißt Christus kennen. Und wer Christus kennt, der versucht auch so zu leben und das zu verwirklichen, was er seiner Kirche aufgetragen hat.

Wäre es nicht auch bei uns nötig, das Evangelium nicht nur zu lesen und zu kennen, sondern auch umzusetzen in den kleinen Münzen des Alltagsgeschäfts?

Vielleicht ist uns aber als Pfarrgemeinde oft gar nicht so richtig bewusst, dass wirklich viel geschieht, etwa in der Corona-Zeit, wo Nachbarschaftshilfe oft ganz selbstverständlich geworden ist.

Ich denke, auch das zeigt uns die Heilige Schrift, zeigt uns Jesus Christus.

Warum also sollte es nicht möglich sein, jeden Tag einige Minuten in der Heiligen Schrift zu lesen und sich zu fragen: Was will mir Jesus jetzt sagen mit dem, was ich da gerade lese?

Ich wünsche uns, dass wir Christus immer besser kennen lernen und als seine Gemeinde so leben, wie er uns zu leben anhält.

Dann sind wir in Wahrheit SEINE Kirche und

 SEINE Gemeinde. Dann machen wir es wie Gott selber und werden Mensch. Amen.

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