Predigt am Patroziniumstag
St. Josef, Siedlung + Mechenhard
20./21. März 2021
Evangelium: Mt 1,16.18-21.24a
Vor Jahren fand ich in meinem Briefkasten einen Zettel, den mir ein ehemaliges Kommunionkind eingeworfen hatte. Es war ein kurzer Gruß: Von Serge an Herrn Kraft. Darüber ein Spruch:
Die Hand bei der Arbeit, das Herz bei Gott.
Der Gruß hat mich sehr berührt und dieser kurze Satz gibt mir einen Leitfaden für mein Leben als Priester und als Pfarrer. Der kleine Zettel steht seitdem in einem Rahmen auf meinen Schreibtisch.
Ja, geht es nicht darum, dass wir mit unseren Händen anpacken, aber das Herz bei Gott haben?
Und ich denke, wir können dieses Wort auch über das Leben des Heiligen Josef schreiben. Wer war denn dieser Mann aus Nazareth, dieser Zimmermann, der Mann der Gottesmutter Maria?
Ein unbekannter, stiller Typ.
Josef ist ein stiller Mann. Es gibt kein einziges Wort, das von ihm überliefert ist, nicht in der Bibel und auch nicht außerhalb. Von Maria gibt es viele einprägsame Sätze, sogar ein ganzes Preislied auf Gott, das Magnifikat. Doch Josef bleibt stumm.
Er ist der treue Mann an der Seite Marias. Er steht ihr in den unbeschwerten, wie in den schwierigen Momenten des Lebens zur Seite - auf der Reise nach Bethlehem zur Volkszählung und in den bangen und frohen Stunden der Geburt, im Tempel, wo er mit Maria den Neugeborenen zu Gott bringt. Wir sehen Josef im dramatischen Moment der Flucht nach Ägypten, wie auch bei der sorgenvollen Suche nach dem Sohn, der im Tempel geblieben war, und dann im Alltag des Hauses in Nazareth, in der Werkstatt, wo Jesus - vermutlich - bei Josef das Handwerk gelernt hat.
Josef ist kein Mann der großen Worte, er weiß, wo er anzupacken hat und was zu tun ist.
Einer, der seine Ohren spitzt für Gott
Josef hat Gott im Dunkel, im Traum gehört. Für Gott ist das Dunkel kein Hindernis, vielleicht sogar eher das Gegenteil: Wenn unsere Augen nicht durch das Tagesgeschehen abgelenkt werden, dann sind unsere Ohren offen für das, was Gott uns sagen möchte. Unsere Sinne werden aufmerksamer für die Stimme Gottes, für das, was sich zwischen Himmel und Erde abspielt.
Josef ist ein Mann, der im Traum auf Gott hören kann. Er traut seinen Träumen, und hört in ihnen die Stimme Gottes.
Berufen zum „Hüter-Sein“
Am Tag seiner Amtseinführung im Jahre 2013 hat Papst Franziskus den Heiligen Josef als „Hüter“ bezeichnet. In der Aufmerksamkeit Gott gegenüber und in der Sorge für Jesus und Maria findet Josef seine Berufung.
Er ist keiner, der Jesus vorschreibt, was er zu tun hat, vielmehr ist er aufmerksam und bereit, Jesus die Freiheit zu lassen, die er braucht, auch wenn er ihn manchmal nicht verstehen kann (vgl. Lk 2,50). Damit ermöglicht er Jesus, seine Persönlichkeit zu entwickeln.
- Ein unbekannter, stiller Typ.
- Einer, der seine Ohren spitzt.
- Hüter der ihm Anvertrauten.
So sehen wir den Heiligen Josef vor uns und so hat er auch uns etwas zu sagen.
Mir ist da der Heilige Josef sympathisch, der im Stillen anpackt, tut, was zu tun ist. Josef Cardijn, der Gründer der CAJ, der christlichen Arbeitnehmerjugend hat dafür ein griffiges Wort geprägt: Sehen, Urteilen, Handeln. Ja, das sehe ich beim Heiligen Josef. Er nimmt wahr, was um ihn herum geschieht, macht sich seine Gedanken und tut, was zu tun ist.
Da nehme ich heute auch ganz viel wahr, was mich, wie wohl auch jeden von uns herausfordert. Ich will mein Augenmerk heute nur mal auf die Kirche richten. Bischof Michael Gerber von Fulda nennt in seinem Fastenhirtenbrief 2021 den Zustand unserer Kirche „armselig“.
- Ja, es geht mir ganz stark an die Nieren, wenn ich sehe, wieviel Leid durch Priester geschehen ist, die sich sexuell an Kindern und Jugendlichen vergangen haben. Es macht mich traurig, weil ich meinen Beruf liebe und weil ich weiß, dass wir als Priester segensreich wirken können. Diese abscheulichen Verbrechen an den Seelen junger Menschen stoßen aber vor den Kopf.
- Ich verstehe auch nicht, wie sich die Kirche in Zukunft aufstellen will. Die Verantwortlichen unserer Diözese etwa stecken wahnsinnig viel Zeit, Kraft und Energie in einen strukturellen Umbruch, bei dem ich und viele andere kaum einen Blick für die Menschen vor Ort entdecke. Erschreckendes Beispiel: Die drohende Schließung des Jugendhauses St. Kilian in Miltenberg. Wie viele Familien von Erstkommunionkindern aus unseren Pfarreien haben dort nicht sehr schöne Erfahrungen mit dem Glauben machen dürfen! Wie viele Jugendliche konnten sich dort auf die Firmung vorbereiten, Tage der Orientierung oder Gruppenwochenenden veranstalten! Soll das nicht mehr möglich sein? Verlieren wir die Jugend aus den Augen? All das macht mir Kummer und das zermürbt.
- Dann die Diskussion, ob wir Priester Menschen segnen dürfen, die in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung leben. Was soll das?, frage ich mich. Ist Jesus nicht gekommen, damit alle Menschen das Leben haben und es in Fülle haben? Hat er irgendjemand ausgeschlossen? Ich glaube, wir müssen noch ganz viel lernen, auf Gottes Stimme zu hören.
- Ein Letztes macht mich sehr betroffen: Die unselige Frage nach der Macht, die in der Kirche gestellt wird. Aufgehängt wird die Frage im Augenblick an der Diskussion um die Stellung der Frau in der Kirche. Ich will sie weiter fassen: Darf irgendeiner - egal ob Mann oder Frau - im Letzten in der Kirche Macht ausüben? Jesus selbst hat es uns vorgemacht: Sich hingekniet, der Meister vor seinen Jüngern, und hat ihnen die Füße gewaschen. Bruder Charles de Foucauld nennt es: Jesus hat den letzten Platz eingenommen.
Missbrauchsfälle, Strukturdiskussion, Ausgrenzung von Menschen auf Grund ihrer sexuellen Prägung, Machtgehabe in der Kirche: Nehmen wir uns den Heiligen Josef zum Vorbild - hier bei uns, hier in unserer St. Josefs-Gemeinde! Gehen wir in aller Bescheiddenheit den Weg des Hörens und des engagierten Handelns.
Ich meine, das sind wir den Menschen in Erlenbach, in der Siedlung, in Mechenhard und in Streit schuldig. Wir sind hier die Gemeinde Jesu, wir tragen den Namen eines wunderbaren Heiligen, wir bereiten den Weg in die Zukunft. Und wie? Wie der Heilige Josef:
Mit der Hand bei der Arbeit, und mit dem Herz bei Gott. Amen.