Predigt am 4. Ostersonntag im Jahreskreis B
25. April 2021
Evangelium: Joh 10,11-18
Der Hirte, ein Bild, das die Menschen zur Zeit Jesu gut verstehen können. Ein Bild, wie so viele manche andere Bilder, die Jesus verwendet, um seine Botschaft vom Reich Gottes verständlich zu machen.
Hirten, die mit ihren Ziegen- oder Schafherden in den Ebenen Galiläas oder auf den Berghängen Judäas unterwegs waren, das konnte sich jeder der Zuhörer Jesu vorstellen. Jesus vergleicht sich mit einem solchen Hirten, der seine Schafe kennt und der sie schützt, sie sogar gegen einen Wolf verteidigt.
Wir nehmen heute dieses Bild vom Hirten auf, auch wenn es nicht unmittelbar unsere Lebenswirklichkeit trifft. In unseren Breiten gibt es - im Vergleich zur Lebenswelt Jesu - wenig Hirten und auch die Anzahl der Schafherden ist bei uns überschaubar. Ich kenne bei uns in Erlenbach eigentlich nur einen Mann, der Schafe auf einer Weide hält.
Wie dem auch sei, wir nehmen das Bild auf und schauen auf die Botschaft, die dahinter steckt und die auch uns heute noch betrifft: Gott, Jesus, kennt uns und ist ganz für uns da. Es ist die Botschaft vom Gott des Lebens und die Einladung, ihm zu vertrauen. Es ist eine zeitlose Botschaft, gültig vor 2000 Jahren, als Jesus auf Erden gepredigt hat, gültig heute im Jahre 2021, in der Zeit, in der wir heute Leben.
Gott, Jesus, kennt uns und ist ganz für uns da. - Wort Gottes für uns, Realität des Lebens in uns. Frage:
- Können wir damit was anfangen?
- Beeinflusst das tatsächlich auch unseren Alltag?
Wir stehen in einer Zeit, in der wir es uns nicht leisten können, mit leeren Floskeln zu arbeiten. Viel zu drängend sind die Fragen, die uns bedrängen und zu schaffen machen. Unsere Zeit fordert heraus, braucht Mut und ganz viel Kraft.
Denken Sie doch bitte einfach mal an das, was uns heute so beschäftigt:
- Da ist natürlich die Corona-Pandemie mit ihren Folgen für Familien und Beruf - in Bezug auf Gesundheit, Beziehungen und natürlich das Einkommen.
- Da sind Zukunftsfragen, die sich für manche - nicht nur für junge Leute - bedrängend aufbauen.
Was beschäftigt uns heute? Ich will es mal auf die Kirche beziehen:
- Da empfinden wir ganz viel Unsicherheit in der Weitergabe des Glaubens.
- Da machen wir uns Gedanken, wie es in unseren Gemeinden weiter gehen wird, etwa wenn die Seelsorger in Zukunft weniger werden.
- Da ist die Diskussion, wer eigentlich zum Hirtendienst der Priester berufen ist, ob nicht auch Frauen berufen sein können.
Über all diese Fragen und Themen schreibe ich das Wort: Gott, Jesus, kennt uns und ist ganz für uns da.
Sind wir ehrlich: Wir können im Grunde genommen ja auch gar nicht anders als dass wir Gott- und Wahrheitssucher sind. Wir können uns auch nicht aus der Verantwortung drücken, Mitarbeiter Gottes für die Menschen von heute zu sein.
Mit dem nahen Gott, mit Jesus, dem Hirten seiner Kirche, gilt es zu fragen: Was will Gott heute von uns, wie geht Kirche, wie gestalten wir als Christen unsere Welt?
Ich denke da an die Lesung aus der Apostelgeschichte, die wir eben gehört haben. Im Namen Jesu hatte Petrus im Tempel einen Gelähmten geheilt. Er erklärt den aufgebrachten Schriftgelehrten und Pharisäern: „Im Namen Jesu Christi, die Nazoräers, den ihr gekreuzigt habt und den Gott von den Toten auferweckt hat. Durch ihn steht dieser Mann gesund vor euch.“ (Apg 4)
Ja, im Namen Jesu wird der Kranke geheilt. Und wir stellen uns genauso unter den Namen Jesu. Das bedeutet, dass wir mit Jesus in unserem Leben rechnen. Nicht nur, dass wir uns an ihm orientieren, sondern dass wir in einbeziehen in unser Leben.
Heute stehen wir an der Stelle des Petrus: Im Namen Jesu Christi leben und handeln wir. Und auf Jesus gilt es immer Bezug zu nehmen. Das heißt für mich ganz konkret:
- Ich mache mir bewusst, dass er bei mir ist.
- Ich beziehe ihn ein in meine Entscheidungen.
- Ich tue das, was ich tue, sehr bewusst mit und für ihn.
Und da haben wir als Kirche - nicht nur in Deutschland - ganz viel zu tun:
Denken Sie nur daran, wie wir eine geschwisterliche oder sagen wir eine Kirche werden können, die einer Familie gleicht. Es geht dabei im letzten nicht mehr um Hierarchie-Fragen, also, ob von oben herab, vom Papst, Bischof oder Pfarrer letztlich alles festzulegen ist. Es geht um das gemeinsame Ringen um die Wahrheit, um die Einheit in Christus, wie es etwa der Heilige Paulus in seinem Brief an die Galater schreibt: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid „einer“ in Christus Jesus.“ (Gal 3,28)
Gemeinsam in Christus, eine Aufgabe, der wir uns zu stellen haben. Und da braucht es ein ehrliches Bemühen, es braucht die Bereitschaft, aufeinander zu hören, die Meinung des anderen ernst zu nehmen und im Letzten den Willen, miteinander das zu suchen, was Jesus von uns erwartet, heute an unserer Stelle tun möchte.
Und das betrifft im Grunde genommen alles: Unser Umgang mit der Corona-Pandemie, die Vorbereitung der Kinder und Jugendlichen auf die Erstkommunion und die Firmung, die Suche nach Geistlichen Berufen, ja auch die Frage der Zulassung zum priesterlichen Dienst. Suchen, was Jesus von uns erwartet, was er heute an unserer Stelle tun möchte.
Die Kirche feiert heute den Festtag des Heiligen Markus. Auf ihn geht das älteste Evangelium zurück. Und Markus beendet es mit wunderbaren Worten:
„Die Jünger zogen aus und predigten überall. Der Herr stand ihnen bei und bekräftigte die Verkündigung durch die Zeichen, der er geschehen ließ.“ (Mk 16,20)
An uns liegt es, selbst die Probe aufs Exempel zu machen. Mit Jesus jeden neuen Tag zu beginnen, miteinander die Wahrheit zu suchen und dann heilend für die Menschen um uns da zu sein.
Denn es ist Gott, es ist Jesus, der uns kennt - wie ein Hirte seine Schafe kennt - und der mit uns ist. Und für wen bin ich da?
Es ist gut, wenn wir für Gott und füreinander sind und wie Jesu für die Menschen Hirten und Hirtinnen werden. Amen.