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Predigt am 12. Sonntag im Jahreskreis B

20. Juni 2021

Evangelium: Mk 4,35-41

Wer ist denn dieser?

Die Jünger Jesu sind erschrocken. Da ist gerade etwas passiert, was sie überhaupt nicht kapieren: Während es stürmt und die - gestandenen und erfahrenen - Fischer um ihr Leben fürchten, liegt Jesus seelenruhig hinten im Boot und schläft. Als sie ihn in ihrer Panik wecken, erhebt er sich - so als ob nichts gewesen wäre - und sagt dem See und dem Sturm nur ein einziges Wort: Schweig, sei still!

Markus berichtet in seinem Evangelium ganz lapidar: „Und der Wind legte sich und es trat völlige Stille ein.“ Jesus legt nach: „Warum habt ihr solche Angst, habt ihr noch keinen Glauben?“

Wer - ehrlich (!) - will es den Jüngern verdenken, dass sie gar nichts mehr kapieren und sich fragen: „Wer ist denn dieser? Sogar der Wind und das Meer gehorchen ihm.“ Ich kann die Jünger gut verstehen, kann mich gut in ihre Lage versetzen.

Der heutige Evangelienabschnitt steht in den ersten Kapiteln des Markus-Evangeliums. Zuvor hatte Markus davon berichtet, wie Jesus Jünger berufen und Menschen geheilt hatte. In Gleichnissen hatte er davon gesprochen, was es mit dem Reich Gottes auf sich hat und in seiner ersten Predigt erklärt, dass mit ihm Gottes Reich ganz nahe heran gekommen ist.

Nun erleben die Jünger etwas ganz Unbegreifliches: Sogar über die Naturgewalten hat Jesus Macht. Kein Wunder also, dass sie sich fragen: Wer ist denn eigentlich dieser Jesus? Er kann Kranken heilen, einen Sturm zur Ruhe bringen und wie mit göttlicher Vollmacht sprechen.

Ja, wer ist denn dieser?

Ich wünschte mir, dass viele Menschen heute sich diese Frage auch stellen:

  • Wer ist denn dieser, über den in der Kirche gesprochen wird?
  • Wer ist denn dieser, für den in jedem Ort ein großes Bauwerk - eine Kirche oder sogar ein Dom - errichtet worden ist?
  • Wer ist denn dieser, zu dem Menschen beten?
  • Wer ist denn dieser, den Menschen in ihren Gottesdiensten verehren?
  • Wer ist denn dieser, auf den sich Menschen berufen?
  • Wer ist denn dieser, dessen Namen Menschen im Mund führen, die jedoch manchmal nicht unbedingt beste Vorbilder im Leben sind?

Ja, wer ist denn dieser?

Mir scheint, dass wir zu allererst selber anfangen müssen, über Jesus zu staunen, unseren eigenen Glauben nicht zu selbstverständlich zu nehmen. Ich denke da an neugierige kleine Kinder, die alles Mögliche anfassen wollen, ja sogar in den Mund stecken wollen. Von ihnen können wir lernen, neugierig auf Jesus zu werden.

Vielleicht ist es deshalb einfach gut, sich selbst mal zu fragen:

  • Was fasziniert mich eigentlich an Jesus?
  • Was möchte ich in einer stillen Stunde mal ganz persönlich von ihm wissen?
  • Meinetwegen: Was kapier' ich nicht, wo tu ich mir selbst schwer mit dem Glauben?

Wir brauchen einen ganz persönlichen Zugang zu Jesus. Heute hilft es nicht mehr zu sagen:

  • Ich geh' halt in die Kirche, weil ich getauft bin und weil ich meine Kirchensteuer bezahle.
  • Ich gehör' dazu, weil es halt dazu gehört.

Ich zitiere Prof. Karl Rahner SJ, der vor Jahrzehnten einen ganz bedeutsamen Satz gesagt hat: „Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein, oder er wird nicht mehr sein.“

Was er damit meint, ist folgendes: Nur wer wirklich eine ganz persönliche Beziehung zu Gott und Jesus Christus hat, wird in Zukunft weiterhin Christ sein.

Das wissen wir selbst und erleben wir Tag für Tag. Kardinal Marx hat es kürzlich in seinem Rücktrittsgesuch an den Papst so ausgedrückt: „Die Kirche in Deutschland ist an einem toten Punkt angelangt.“ Mir sagt das: Wir brauchen Ostern, die Auferstehung, eine ganz persönliche Christusbeziehung. Hat er etwas mit mir persönlich zu tun oder bin ich nur formal Christ, tu halt so, was ich gelernt habe, habe aber keine nähere Beziehung zu ihm?

  1. Über Jesus staunen können, ganz persönlich fasziniert sein von ihm. Das ist es!
  2. Und ein Zweites: Als Kirche, als Pfarrgemeinde Jesus zum Maßstab unseres Handelns machen.

Das mag sehr theoretisch klingen, aber uns bleibt nichts anderes übrig, als dass wir uns als Pfarrei auf das besinnen, was Jesus seiner Kirche aufgetragen hat: Die Sorge um die Armen und die Kranken, das offene Herz für Kinder und die Verpflichtung, niemanden auszugrenzen. Eine Pfarrei, die sich ehrlich christlich nennen will, besinnt sich immer wieder darauf, was im Namen Jesu zu tun ist.

Es gibt dafür eine wunderbare Abkürzung, manche tragen es auf einem Armbändchen oder schreiben es sich sonstwo auf: WWJD - What would Jesus do - was würde Jesus jetzt tun? Nicht schlecht, sich das immer wieder mal zu fragen, auch in einer Pfarrgemeinde, wo so viele Dinge des Alltags zu regeln sind, z.B. Das Kirchengebäude zu unterhalten.

Dabei gilt es, wie Jesus aber den Blick auf die Menschen nicht zu verlieren, die bei uns in Streit, Mechenhard und Erlenbach wohnen. Was wäre Jesus heute wichtig? Im Blick auf ihn entwickelt sich unsere Gemeinde, entwickelt sich die Kirche. Dafür stehen wir ein.

Also: Über Jesus staunen können, von ihm persönlich fasziniert und in einem lebendigen Austausch mit ihm zu stehen - nennen wir es: Beten. Und dann das zu leben versuchen, was wir von ihm verstanden haben. Wie es einmal der verstorbene Gründer der Gemeinschaft von Taizé, Frère Roger Schutz, ausgedrückt hat.

Also: Wer ist denn dieser Jesus?

Es ist einer, den wir brauchen, der auch uns braucht. Amen.

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Bild: Martin Manigatterer In: Pfarrbriefservice.de

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