Predigt am Patrozinium St. Peter und Paul
27. Juni 2021
Evangelium: Mt 16,13-19
Der Fels zerbröselt.
Lange Zeit hat sich die Kirche auf das Wort Jesu an Petrus aus dem Matthäus-Evangelium gestützt und daraus ihren Machtanspruch gegründet. Mir kommt da etwa der Gang nach Canossa aus dem 11. Jahrhundert in den Sinn:
Papst Gregor VII. hatte den deutschen König Heinrich IV. exkommuniziert. Zum Streit zwischen den Beiden war es gekommen, weil sie sich nicht einigen konnten um die Einsetzung von Geistlichen durch die weltliche Macht. Das war der so genannte „Investiturstreit“. Der König wollte den Papst absetzen, der Papst exkommunizierte den König. Heinrich IV. unternahm schlussendlich von Dezember 1076 bis Januar 1077 einen Buß- und Bittgang zur Burg Canossa, wo sich damals der Papst zum Besuch bei einer Gräfin aufhielt. Es wird berichtet, dass der König drei Tage vor der Türe kniend um Einlass flehen musste, ehe er Abbitte leisten konnte.
Das alles gäb es heute nicht mehr. Der Fels bröckelt oder zerbröselt. Die Macht der Kirche, die Jesus so wohl auch nicht gewollt hat, löst sich auf.
Dabei waren im Grunde genommen schon die so genannten „Apostelfürsten“ auch nicht unbedingt große Vorzeige-Apostel. Das wussten sie selber:
- Petrus weint im Hof des Hohenpriesters, weil er Jesus verleugnet hat.
- Paulus schämt sich dafür, dass er die Christen verfolgt hat.
Die beiden Säulen und Felsen der Kirche waren selbst nicht aus Granit, aus hartem Stein, sondern waren manchmal auch eher wie wasserlöslicher Kalkstein oder poröser Tuffstein. An ihnen nehmen wir Maß.
- Vielleicht soll uns das auch gut tun, nicht wie große Herren aufzutreten, sondern „Helfer zur Freude“ (2 Kor 1,24) zu sein, wie es der Heilige Paulus einmal ausdrückt.
- Vielleicht tut es unserer Kirche gut, bescheiden aufzutreten und uns auf das zu besinnen, was uns aufgegeben ist, nämlich - wie Jesus - den Menschen zu helfen, das Leben in Fülle zu erreichen.
Wir werden nicht umhin kommen, unseren Standort neu zu bestimmen. Dazu brauchen wir keine neuen Pastoralpläne oder wunder welch große Aktionen. Nein, wir brauchen Christus und sein Wort! Er lehrt was zu tun ist. Und er öffnet uns die Augen für den Weg der Kirche, für den Menschen, wie es der Heilige Papst Johannes Paul II. einmal ausgedrückt hat.
Und da haben wir in unseren Gemeinden, wie auch in unserem persönlichen Leben ganz sicher „viel Luft nach oben“. Wir sind noch lange nicht am Ende, dem Menschen zu dienen. Fantasie mag gefragt sein, aber vor allem das Herz, offen für die Menschen in Not, offen für die Suchenden im Glauben, offen für die eigene Sehnsucht, Gott im Menschen zu dienen, und so Gutes im eigenen Leben zu tun.
Unsere Kirche heute - zumindest die Kirche, wie ich sie bei uns in Deutschland erlebe - ist nicht der Granitfelsen. Sie gleicht eher einer Kirche, die sich wie Kalk im Wasser auflöst oder wie ein Tuffstein löchrig ist und leicht zerrieben werden kann. Wir werden uns entscheiden müssen, ob wir so weiter machen wollen wie bisher oder ob wir uns neu besinnen auf das, was heute wirklich notwendig ist, „Not-wendig“ im wahrsten Sinn des Wortes, um die Nöte der Menschen von heute wenden zu können.
Lassen Sie mich nur einen kurzen Augenblick auf das Attentat in Würzburg zu sprechen kommen:
Während der Attentäter am vergangenen Freitag in Würzburg drei Menschen ermordete und andere zum Teil lebensgefährlich verletzte, fand fast zeitgleich hier bei uns in Erlenbach - wie seit einigen Jahren immer am letzten Freitag eines Monats - am St. Maurice-Platz das ökumenische Friedensgebet statt. Wir waren 20 Christen aus unseren beiden evangelisch und katholischen Gemeinden. Sicher haben alle anderen, die nicht zum Gebet kommen, ihre Gründe. Aber ich frage mich:
- Müssten nicht Tausende aus unserer Stadt am St. Maurice-Platz stehen und um Frieden beten?
- Müssten wir als Kirche und als Christen nicht Vorreiter zum Frieden sein?
Natürlich ist das nicht damit getan, nur für den Frieden zu beten. Sicher gehört da noch mehr dazu, Frieden zu schaffen in den Familien, in unserer Stadt, auf unserer Arbeit. Aber: Wo sind wir als Kirche, wo sind wir Vorreiter für den Frieden?
- Ist nicht auch da der Fels zerbröselt, fehlt uns nicht die Kraft, die Strahlkraft zur Erneuerung von Kirche und Welt?
- Können sich Menschen - bei uns hier in Erlenbach - an uns aufbauen?
Ich will beim besten Willen nicht Trübsinn verbreiten. Ich sehe aber, dass wir als Kirche an einem ganz entscheidenden Punkt angelangt sind, nämlich unseren Platz in der Gesellschaft und vor den Augen Gottes neu zu bestimmen.
- Bitte sprechen wir darüber, in unseren Familien, in unseren Gremien und Gruppen, in persönlichen Begegnungen, wo es uns halt möglich ist!
- Suchen wir bitte miteinander den Weg, den Gott uns in der heutigen Zeit führen will!
Die Menschen, ja wir selbst haben es verdient, Gott ins Leben und in die Zeit hinein zu holen!
Bei all dem vertraue ich auf den Geist Gottes. Er hat den Petrus geführt, den Paulus und viele, viele Menschen in der Kirche, die im Heiligen Geist Botschafter des gelingenden Lebens in Christus geworden sind. Er wird auch uns, unsere Gemeinden und die Kirche führen.
Da kann noch manches in der Kirche zerbröseln, was bisher als felsenfest gegolten hat. Sie wissen selbst:
- Wenn zerriebene Steine, wenn Sand mit Zement vermengt wird, entsteht fester Beton.
Ich will das Bild übertragen:
- Wenn der Geist sich unserer Schwachheit annimmt, dann wird Gott Großes in uns wirken!
Dafür leben wir, dafür stehen wir ein mit unserem Glauben. Amen.