Predigt am 15. Sonntag im Jahreskreis B
11. Juli 2021
Evangelium: Mk 6,7-13
„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.“ (GS 1)
Am 7. Dezember des Jahres 1965, also am Tag vor dem Ende des II. Vatikanischen Konzils, wurde die Pastoralkonstitution über „die Kirche in der Welt von heute“ veröffentlicht. Sie trägt den Titel „Gaudium et spes“. Es ist ein Weg weisendes Dokument und wenn ich die eben zitierten einleitenden Sätze lese, dann denke ich, dass das Jesus vor 2000 Jahren genauso zu seinen Jüngern gesagt haben könnte.
Wir haben es ja gerade im Evangelium gehört: Er sendet seine Jünger zu zweit aus. Dabei stattet er sie mit Vollmacht aus über die unreinen Geister und er schärft ihnen ein, sich nicht aufzuhalten mit dem, was sie für sich brauchen könnten. Sie sollen losziehen, seine Botschaft duldet keine Verzögerung, sie sollen zu den Menschen gehen, ihnen den Frieden und Befreiung bringen.
Und wer sind diese Menschen zur Zeit Jesu? Es sind Menschen wie Sie und ich: Menschen, die sich freuen können und Hoffnung haben, die aber auch traurig sein können und Angst haben. Es sind Frauen und Männer, die oft arm sind und in Bedrängnis leben. Sie sorgen sich um das tägliche Brot für ihre Familien, um Gesundheit und um ihr Auskommen. Und die Jünger Jesu sollen all das Menschliche, das ihnen begegnet, in ihrem Herzen Widerhall finden lassen.
Sie sind gesandt zu den Menschen und für die Menschen. Was das II. Vatikanische Konzil festhält, das gilt auch nach 2000 Jahren. Kirche bei den Menschen - Kirche für die Menschen.
Das ist die Messlatte, das ist uns vorgegeben. Daran zeigt sich das Christentum von heute:
- Ich sehe uns Christen als eine Gemeinschaft, die um die Menschen weiß.
- Ich sehe uns als eine Gemeinschaft, die den Weg zu den Herzen der Menschen findet.
- Ich sehe uns als Sauerteig im Vielerlei der Welt, eine Gemeinschaft, die sich unter die Menschen mischt und nicht absondert.
Bitte fangen wir jetzt nicht an zu jammern oder gar zu schimpfen, dass vieles in der Kirche heute nicht so stimmt! Schauen wir lieber in aller Demut und Bescheidenheit auf das, was gelungen ist und das, was getan wird. Schauen wir auf die Kirche bei den Menschen, auf die Kirche mit Herz, auf die Kirche, die wirkt.
Bitte betrachten Sie doch Ihr eigenes Leben! Sie erleben Kirche, erfahren unsere Gemeinschaft, heute hier im Gottesdienst und auch sonst, wenn wir uns - wo auch immer - begegnen. Kirche ist uns wichtig, sonst wären wir nicht hier.
Hier im Gottesdienst, bei der Feier der Eucharistie sind wir versammelt zur „Quelle und zum Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ (LG 11 - Kirchenkonstitution des Vat. II). Und das stimmt!
Wir brauchen die Gemeinschaft mit Christus und untereinander, die uns besonders in der Feier der Heiligen Messe geschenkt wird und die wir miteinander als wertvolles Geschenk erachten. Gleiches gilt für die Wortgottesfeiern, in denen wir uns unter das Wort Gottes stellen, miteinander danken, Gott loben und ihn bitten.
Auch wenn wir zahlenmäßig nicht viele sind, die sich zum Gottesdienst versammeln, ist und bleibt die sonntägliche Eucharistie, der sonntägliche Gottesdienst ein Konstitutivum unseres Christseins. Natürlich ist der Gottesdienst nicht für sich zu sehen. Was wir hier feiern, hat Auswirkungen auf unser Leben.
„Vom Altare aus, zieh'n wir, Herr, hinaus, um dem Alltagsleben deine Form zu geben.“ (Himmelwärts S. 43) Ich zitiere aus einer Gebetssammlung, die im Konzentrationslager von Dachau entstanden ist. Ja, hier in der Feier unseres Sonntagsgottesdienstes, in der Feier der Heiligen Messe wird uns die Richtlinie an die Hand gegeben, um dem Werktag, dem Alltag Gottes Form zu geben:
Wir hören auf Gottes Wort, feiern die Gemeinschaft mit ihm und untereinander in der Heiligen Eucharistie und nehmen den Auftrag entgegen: Gehet hin in Frieden, gehet hin und bringt den Frieden!
Ich habe den Eindruck, dass wir lernen müssen dankbar zu sein über das, was gelungen ist, was gelingt und was uns selbst Kraft zum Leben schenkt. Auch dafür brauchen wir die Eucharistie, die Danksagung, wie wir aus dem Griechischem übersetzen.
- Wer dankbar ist, weiß sein Leben zu schätzen.
- Wer dankbar ist, weiß den Anderen zu schätzen.
- Wer dankbar ist, wird selber auch versuchen, anderen das Leben zu bereichern.
Ich komme zurück auf das heutige Evangelium: Jesus gibt seinen Jüngern die Vollmacht, unreine Geister auszutreiben und Kranke zu heilen. Unsere Dankbarkeit und unsere Gemeinschaft mit Christus macht uns zu Menschen, die anderen die bösen Dämonen von Hass und Zerstörung weg nehmen und somit manche Krankheit heilen. Ich denke, das habe Sie in Ihrem eigenen Leben selbst erfahren.
- Wenn ich selbst froh und dankbar bin, gelingt es mir leichter, anderen ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.
- Wenn ich herzlich mit mir und andern umgehe, löse ich manche Verkrampfung und Bitterkeit bei mir und anderen.
- Wenn ich die Quellen kenne, die mir Mut zum Leben machen - meinetwegen die Freundschaft und die Liebe zu einem Menschen - dann werde ich selber zur sprudelnden Quelle für einen Menschen, dessen Freude ausgetrocknet ist.
Das mag alles sehr schön klingen, ist aber im Grunde genommen sehr einfach: Bei den Menschen sein und selbst menschlich sein!
Deswegen hat Jesus seine Jünger ausgesandt, ja sogar zu zweit ausgesandt, dass sie sich gegenseitig unterstützen. Und er hat sie nicht auf die Marktplätze geschickt, dorthin, wo große Reden geschwungen werden. Nein, in die Häuser, dorthin, wo das Leben zusammen fließt, hat er sie beordert. Dort ist auch unser Platz - mit Jesus. Deshalb gilt:
„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.“
Amen.